Zunahme von Sturzfluten – Wie können wir unser Eigentum schützen?
Heftige Gewitter über Südthüringen lösten letzten Mittwoch in den Abendstunden anhaltenden Starkregen aus. Innerhalb weniger Stunden fielen 43 Liter Wasser pro Quadratmeter. Betroffen war insbesondere die Ortschaft Suhl. Strasse und Plätze waren in Kürze überflutet. Die Kanalisation konnte die Wassermassen nicht fassen. Ähnlich sah es in Dingsleben, Kreis Hildburghausen, aus. Braune Brühe schoss von den Feldern in die Ortschaft, überflutete Straßen, Grundstücke und Keller. Mit Sandsäcken und Schaufeln versuchten die Anwohner, ihr Hab und Gut zu schützen.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt vor weiteren Unwettern in der Mitte und im Süden der Bundesrepublik. Zu erwarten sind plötzliche Schauer, örtlich auch heftiger Starkregen und Hagel. Die Unwetterlage betrifft auch das Erzgebirge und dehnt sich Richtung Südosten Bayerns aus.
Wiederholt kam es landesweit in den letzten Wochen zu plötzlich auftretenden und heftigen Regenfällen.
Metereologen ist diese Art von Niederschlag vornehmlich aus den Tropen und Subtropen bekannt. Er definiert sich nach seiner Intensität und Dauer und kann von wenigen Minuten bis zu einigen Stunden anhalten. Von Starkregen ist im deutschen Sprachraum bei mindestens fünf Liter Wasseraufkommen innnerhalb von fünf Minuten die Rede. Kurze, aber heftige Niederschläge sind dabei wahrscheinlicher als langanhaltende kräftige Niederschläge.
Nicht alle Gebäudeversicherungen bieten Schutz
Herkömmliche Gebäudeversicherungen bieten gegen Folgen solcher Unwetter kaum Schutz. Sie decken zwar Schäden, die durch Sturm, Blitz- und Hagelschlag entstanden sind, aber nicht die Auswirkungen von Hochwasser und Starkregen. „Dafür müssen Eigentümer zusätzlich eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen haben“, informierte Kathrin Jarosch vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am 18.5. 2018 auf www.welt.de. Diese zusätzliche Police hätten allerdings bislang nur 41 Prozent der privaten Immobilienbesitzer in Deutschland abgeschlossen.
Die Unwetter der vergangenen Tage seien nur ein Vorgeschmack auf das, was in den kommenden Jahren verstärkt auftreten könnte, warnt Professor Wolfgang Günthert vom Institut für Wasserwesen der Universität der Bundeswehr in München. Durch den Klimawandel würden künftig „immer häufiger Sturzfluten über Deutschland hereinbrechen“, meinte der Professor. Tatsächlich haben Starkregen in den vergangenen Jahren zu besonders hohen Schäden geführt. 2016 verursachten die Tiefdruckgebiete „Elvira“ und „Friederike“ nach Berechnungen des GDV Schäden von mehr als 800 Millionen Euro. 2014 sorgten gleich fünf Schlechtwetterfronten für Schäden von 310 Millionen Euro.
Städte und Gemeinden sind gefordert
Güntherts Appell richtet sich insbesondere an die Städte und Gemeinden. Der Unterhalt bestehender Abwässerkanäle ist Sache der Kommunen. Gemessen an der Zunahme von Überschwemmungen, habe man in den letzten Jahren keineswegs hinreichende Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung und deren Eigentum ergriffen. „Die meisten Kommunen blenden die Gefahren, die hinter dem wachsenden Starkregenrisiko stehen, einfach aus“, so der Wissenschaftler.
Konkret fordert Günthert, dass Städte und Gemeinden von der Bundesregierung verpflichtet werden sollten, Gefahren- und Risikokarten zu erstellen. Anhand der lokalen Topografie ließe sich dann erkennen, wo Wasser auf Grünflächen versickern könne und wo versiegelte Asphaltdecken die hereinbrechenden Regenfälle zu Sturzbächen anschwellen ließen, die sich dann in Keller ergießen. „Auf diesen Risikokarten muss Straße für Straße – bis auf das einzelne Haus genau – die Überschwemmungsgefahr eingetragen werden“, forderte Günthert.
Städte könnten dann „wassersensibel entwickelt werden“. Über größere Rohrleitungen könnten die Regenmassen abgeleitet und in Rückhaltebecken aufgefangen werden. Eine solche „Entwässerung der Zukunft“ würde Engpässe im Kanalnetz vermeiden und damit die Menschen „wesentlich besser vor Überschwemmungen schützen“, sagt der Wissenschaftler.
Lobby-Interessen vermutet
Gleichzeitig gilt es, die Notwendigkeiten solcher Massnahmen präzise zu überprüfen. Die Eigentümerorganisationen „Haus & Grund“ und der „Verband Privater Bauherren“ (VPB) vermutet hinter der Studie Güntherts reine Lobby-Interessen. Sie sei von der Initiative „Verantwortung Wasser und Umwelt“ in Auftrag gegeben. Deren Gründer ist der „Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel“ (BDB). Die Initiative ziehe gemeinsam mit der Aktionsgemeinschaft „Impulse pro Kanal“ ins Feld, die „mit verschiedenen Verbänden im Tiefbau kooperiert“, heißt es dazu im Internetauftritt des BDB. Die Aktionsgemeinschaft „Impulse pro Kanal“ wiederum verkündet auf ihrer Webseite, von ihr würden „Forderungen an die Politik gestellt, die als zielführend … für die Wirtschaft … betrachtet werden“.
„Es scheint, als ob die Baustoffindustrie und die Tiefbauunternehmen trotz des Baubooms sporadisch auftretende Naturereignisse nutzen, um noch mehr Neugeschäft zu generieren“, sagt Haus-&-Grund-Geschäftsführer Gerold Happ. „Die Studie wirft die Frage auf, ob die Tiefbaubranche die Kommunen dazu drängen will, massiv das Abwasserkanalnetz auszubauen“, sagt VPB-Hauptgeschäftsführerin Corinna Merzyn. „Auf die Hausbesitzer können in diesem Fall hohe Kosten zukommen.“ Werde ein alter Kanal durch neue Rohre mit breiterem Querschnitt ersetzt, könnten die Gemeinden die Anlieger dafür anteilig entsprechend der gesteigerten Wasserableitungskapazität zur Kasse bitten. „Je nach Grundstücksgröße können dabei Kosten von mehr als 50.000 Euro anfallen“, sagt Haus-&-Grund-Experte Happ. „Ältere Hausbesitzer mit geringen Rücklagen können dann gezwungen sein, ihre Immobilie zu verkaufen.“ Denn Rentner würden in solchen Fällen häufig keine Bankdarlehen erhalten.
Geforderte Risikoarten kritisch gesehen
Kritisch sieht Happ auch die von Günthert geforderten Risikokarten. „Würde die Starkregengefahr für jedes einzelne Haus ermittelt, könnten für manche Eigentümer die Kosten für die Elementarschadenversicherung deutlich steigen – oder ihr Haus sogar unversicherbar werden.“ Längst gibt es Hinweise auf regional erhöhte Überschwemmungsgefahr. Die Versicherer haben ganz Deutschland mit dem Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen (Zürs) in vier Gefährdungsklassen aufgeteilt. Immobilien in der Zone eins gelten dabei „als nach gegenwärtiger Datenlage nicht vom Hochwasser größerer Gewässer betroffen“. Häuser in der Zone zwei sind statistisch seltener als einmal in 100 Jahren von einem Hochwasser bedroht. Das beschert dem Eigentümer niedrigere Beiträge für die Elementarschadenversicherung. Deutlich teurer wird es in der Zone drei, wo statistisch einmal in zehn bis 100 Jahren Hochwasser droht. In der Zone vier, wo alle zehn Jahre ein Hochwasser droht, können Immobilien nur sehr teuer und nur mit einem Selbstbehalt von bis zu 15.000 Euro versichert werden. Im Schadenfall müssen die Eigentümer Reparaturen bis zur Höhe des Selbstbehalts aus eigener Tasche zahlen.
Häuser gegen Starkregen schützen
Zudem ist es nicht sonderlich teuer, ein Haus gegen Starkregen zu schützen. Es genüge, alle Kellereingänge, Türen und Fenster, die sich im überschwemmungsgefährdeten Bereich befinden, „mit Rückstauklappen zu sichern und abzudichten“, sagt Karl-Heinz Blaut vom Referat Baulicher Bevölkerungsschutz und Wassersicherstellung im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
Gesichert werden sollten dabei in jedem Fall alle Gebäudeöffnungen unterhalb der Straßenoberkante und der Gullyeinlässe; auf Straßen in Senkenlagen, in denen sich das Wasser stauen kann, darüber hinaus bis zur Höhe der potenziellen Wasserlinie. Zudem sollten insbesondere bei Häusern mit Flachdächern „die Regenrinnen frei von Laub und Dreck gehalten werden, damit das Wasser schnell abfließen kann“, sagt Blaut.
In Hanglagen, wo bei Starkregen auch Sturzfluten drohen, sollten Menschen sich in die oberen Stockwerke zurückziehen, rät der Experte. Bei einer Sturzflut werde Treibgut mit solcher Wucht herangeschwemmt, dass es „Fensterscheiben durchdringen kann“. Keller und Erdgeschoss könnten dann binnen Minuten überflutet werden.
Wetterdienst informiert zuverlässig vor Starkregen
Nicht zuletzt können sich Hausbesitzer und Kommunen vorab über den Wetterdienst zu möglicherweise herannahenden Unwetter zuverlässig informieren. Erfahrene Meteorologen passen die Starkregenwarnungen laufend manuell an und stellen damit sicher, dass sie rund um die Uhr aktuell bleiben. So können landauf, landab rechtzeitig entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Hier einige Wetterdienste: