Das Brühlsche Schloss Pförten
Eindrucksvoll bestimmt das Brühlsche Schloss, bis Ende des Zweiten Weltkrieges Pförten genannt, die Stadtkulisse der polnischen Ortschaft Brody.
Das Brühlsche Schloss Pförten
Der ehemalige Stammsitz der Grafenfamilie umfasst einen massiven, dreistöckiger Flügelbau, versehen mit einem nagelneuen, dunkelrot glänzenden Dach. Zwei prächtige Atlantenpaare stützen rechts und lings den schmalen Balkon, der sich über dem Eingangsportal erhebt. An der Rückseite des Schlosses führt eine geschwungene Freitreppe mit flügelgleichen Stufen in den Park. Von hier ist auch der See zu erahnen, romantisch verborgen hinter hohem Schilf, der die weitreichende Gartenanlage einst prägte.
Erstmals 1389 erwähnt, haben Schloss und die Ortschaft Brody ihre Bedeutung insbesondere der Tatsache zu verdanken, dass Heinrich Graf von Brühl, Minister Augusts des Starken und Premier bei August III., Kurfürsten von Sachen und Könige von Polen, im 18. Jahrhundert ein Auge auf das Anwesen geworfen hatte. Er erkannte seine vortreffliche Lage in der Mitte zwischen Dresden und Warschau und erwarb es. Auf den wiederholt notwendigen Reisen zwischen den beiden Herrschaftszentren der sächsischen Magnaten konnte in Pförten bequem Station gemacht werden.
Entsprechend vornehm ließ Brühl das Schloss ausstatten. Nicht er allein residierte hier mit seiner Familie in den nun folgenden Jahren, sondern hin und wieder auch das absolute Machtoberhaupt des Landes samt seinem Hof, seinen Begleitern und ihrer jeweiligen Entourage.
Heinrich von Brühl
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Sowohl das Haupthaus als auch der weitläufige Garten wurden im Zuge der Umbauten durch zahlreiche Neuheiten erweitert. Das Schloss ließ Brühl durch zwei langgezogene Flügelbauten ergänzen, die sogenannten Kavaliershäuser. Sie grenzen den Vorplatz, über den man das Schloss erreicht, rechts und links harmonisch ab, veredeln die Gesamtanlage durch ihr elegantes Äusseres, sind jedoch nur zwei Stockwerke hoch und ordnen sich entsprechend architektonisch dem Hauptgebäude unter.
Auch im Park kamen entscheidende Veränderungen zum Tragen. Die barocke Gartenanlage wurde präzisiert und erweitert, ferner durch ein Sommertheater ergänzt, nicht zuletzt durch eine Orangerie, gleich gegenüber, in der, wenn das Wetter es nicht zuließ, im Freien aufzutreten, ebenfalls Aufführungen und Konzerte stattfanden.
Zahlreiche Sandsteinskulpturen wurden eigens in Auftrag gegeben und fanden sorgfältig arrangiert in dem Gartenreich Aufstellung. Ein Sarkophag mit der weihevollen Aufschrift „Piis manibus amicorum“ (Durch die treuen Hände der Freunde) steht neu restauriert heute wieder an altgewohnter Stelle.
Auch die Ortschaft wurde erheblich verändert. Brühl konzipierte mit Pförten ein Gesamtensemble, dem sich Häuserbauten und Wirtschaftsanlagen harmonisch zuordneten. Das Schloss bildet den Ausgangspunkt, die Kavaliershäuser setzen seine Strahlkraft fort und stellen gleichzeitig die Verbindung zu den halbkreisförmig angelegten Wohnbauten her, die direkt jenseits des Vorplatzes gebaut wurden. Über eine lange Gerade, die Landstraße und Schlossanlage im rechten Winkel zur Zufahrt verbindet, näherte man sich dem Ensemble nur allmählich. Bogen die Wagen schließlich um die Ecke, erhob sich das Schloss plötzlich und in ungewohnter Pracht. Dieser Aha-Effekt war geplant und beabsichtigt. Der Kurfürst sollte nach langer und kraftzehrender Reise durch flache und eintönige Lande von der Schlossanlage regelrecht überwältigt werden. Er sollte das Gefühl haben, hier, in dieser abgelegenen Region, wahrhaft königlich willkommen geheissen und untergebracht zu sein. Bis heute ist der Eindruck dieser plötzlichen Erhabenheit erhalten geblieben.
Um dem Ort eine bessere Stellung zu verleihen, ließ Brühl die Garnison seines Regiments nach Pförten verlegen. Er richtete eine Poststation ein und bewirkte so, dass der Briefverkehr zwischen Dresden und Warschau fortan über das kleine Städtchen verlief. Außerdem entstand zu Brühls Zeiten ein zusätzlicher, neuer Stadtteil. Er wurde nach seiner Ehefrau „Mariannenstadt“ benannt und der bestehende Bebauung axial nördlich zum Schloss hinzugefügt. Nach Abschluss der Stadterneuerung entstanden zudem 1753 drei schmückende Stadttore, von denen eines bis heute erhalten geblieben ist.
Doch leider sollte dem barocken Schloss- und Gartenensemble von Pförten nur ein kurzer Höhepunkt beschieden sein. So steil wie Brühl Aufstieg gewesen war, so vehement waren die Ressentiments, die sein starker Einfluss am sächsischen Hof hervorriefen. Im Siebenjährigen Krieg ließ Friedrich II. von Preussen Schloss Pförten 1758 kurzerhand brandtschatzen, eine Vorgehensweise, die er seinen Husaren eigens befehlen musste, denn sie war preußischen Soldaten gewöhnlich streng untersagt. Auch Brühls Palais in Dresden ließ der Preußenkönig plündern, die Einrichtung zerschlagen, vieles davon rauben und nach Potsdam bringen. Lange Jahre wurde darum gerätselt, warum der Preussenherrscher einen solchen Hass gegen Sachsens Premier hegte.
Nach Brühls Tod, der zufällig oder nicht in demselben Jahr eintrat, in dem auch sein Kurfürst verstorben war, suchte ihn gar der sächsische Hof zu verklagen. Sein Eigentum wurde beschlagnahmt und ein Prozess gegen ihn angestrengt. Seine Kinder wussten nicht, wie ihnen geschah.
Doch der Minister konnte keinerlei Straftat überführt werden. Er hatte nie gegen die Befehle seiner Vorgesetzten gehandelt. Brühl wurde rehabilitiert, sein Besitz den Nachkommen übertragen. Ab 1790 residierte ältester Sohn und Erbe Aloys Graf von Brühl in Pförten und begann, Schloss und Garten wiederauf– und einzurichten. Die Bauten wurden renoviert und die Gartenanlagen im Stil eines englischen Landschaftsparks gestaltet.
Aloys Friedrich von Brühl
In den nun nachfolgenden Jahrzehnten gelang es, Schloss Pförten zu einem Lebensmittelpunkt der Grafenfamilie zu machen. Die Verbundenheit zu Dresden ließ allmählich nach. Die Brühls identifizierte sich zunehmend mit der Niederlausitz. Auch das herrschaftliche Gebahren, das Machtdenken und strategische Vorgehen, das dem Premierminister nachgesagt worden war, waren hier keineswegs Usus. Die Brühls übernahmen Verantwortung für ihr Erbe, verwalteten verbindlich ihren Besitz und sorgten für nachhaltiges Wirtschaften, doch der sächsische Hof war weit weg. In Pförten machten keine sächsischen Machthaber mehr Station.
Die Kinder und Nachkommen der Familie wuchsen hier unweit der Neisse auf. Sie luden zu Hochzeiten, Taufen, Jagden, runden Geburtstagen und auch zu Begräbnissen ein. Freudige Anlässe wurden mit großen Festen gefeiert, trauriger mit innigen Familienzusammenkünften gedacht. Auch die Verwandten, die das Haus mit dem Erwachsenwerden verlassen hatten, um sich und ihren neuen Familien eine Existenz aufzubauen, kehrten zu solchen Anlässen nach Pförten zurück. Zahlreiche Enkel und Enkelinnen, Neffen und Nichten verbrachten hier im Sommer ihre Ferien. Pförten blieb weitere 182 Jahre im Besitz der Familie.
1945 mussten die Brühls fliehen, die Oder-Neisse-Linie wurde errichtet und Pförten befand sich plötzlich in Polen. Eine Rückkehr war ausgeschlossen. 1946 überführte die polnische Regierung das Schloss in Staatseigentum. Ähnlich wie die gesamte Ortschaft erhielt es den Namen Brody.
Bis heute jedoch erhebt sich dort, wenige Kilometer jenseits der deutsch-polnischen Grenze, flankiert von zwei Kavaliershäusern, ein mächtiger Bau, Pałac Brody genannt. Die Gemeinde kümmert sich hingebungsvoll um seinen Erhalt. Ein Investor wurde gefunden, auch zu vielen Familienmitgliedern dauerhaft Kontakt geknüpft. Die Brühls haben Spuren hinterlassen, die aus dieser Region nicht mehr wegzudenken sind.
Dieser Artikel ist der Auftakt zu einer Reihe Beiträgen zur Familiengeschichte. Mehr demnächst hier im Onlinemagazin von GRAF BRÜHL Versicherungsmakler Frankfurt.