Hochwasser an der Elbe – Dresden versinkt in den Fluten (I)
Wer am Fluss wohnt, lebt gefährlich. Selten ist uns das bewusst. Er gibt uns Wasser, schenkt der Stadt Schönheit und Anmut. Doch wir müssen ihn überqueren, ihn beherrschen. Also bauen wir Brücken, Dämme, Promenaden, befestigen das Ufer. Dann steigt der Wasserpegel, braune Fluten quellen über den Rand und zerstören in wenigen Stunden, was über Jahre mühevoll aufgebaut worden ist. Wir verfluchen den Strom, drohen ihm mit Fäusten, beginnen ihn zu hassen.
Bewohner von Köln, Hamburg, Dresden, auch von Heidelberg oder den vielen kleinen und größeren Städten am Rhein kennen diesen steten Kampf mit der Natur. In regelmäßigen Abständen wurden sie in der Vergangenheit mit Hochwasser konfrontiert. Dann stehen alle Uhren still, nichts geht mehr seinen gewohnten Gang. Katastrophenstimmung in der ganzen Stadt. In einer Serie stellen wir die historischen Hochwasser-Katastrophen von Dresden vor.
Dresden liegt an der Elbe, pittoresk gerade an die Stelle komponiert, wo der Fluß eine Biegung macht und lebendig und anmutig wirkt. So kann man die bekannte Silhouette von Semperoper, Schloß, Frauen- und Hofkirche, nicht zuletzt die Brühlsche Terrasse nicht nur von direkt gegenüber, sondern auch von Weitem sehen, sei es von einem Dampfer, der sich geruhsam aus nord-westlicher Richtung nähert, sei es von dem Balkon einer Villa am Weißen Hirsch, das elegant bürgerliche Viertel, das die Stadt im Osten schmückt. Das durch die sächsische Ebene mäandernde Band bietet überraschende Ausblicke auf die Schönheiten der Stadt, die orientalische Kuppel über der ehemaligen Tabakfabrik Yenidze oder das bunte Relief am Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Fast überall gibt es etwas Interessantes zu entdecken.
Die Dresdner leben mit der Elbe
Die Dresdner leben mit der Elbe, wissen ihre Vorteile zu nutzen und die Nachteile zu verdrängen. Eine Besonderheit sind zweifelsohne ihre Flussauen, breite Wiesenflächen, gänzlich unbebaut und mitten in der Stadt. Grün sind sie fast während des ganzen Jahres, wild gehalten, unberührt. Manchmal weiden hier Schafe, manchmal ist Vogelmarkt. Dann stehen auf der Johannstädter Buden und Karussels, das hohe Riesenrad mit seinen funkelnden Lichtern bis fast hinunter ans Wasser. Fast immer sind hier Menschen unterwegs, sei es zu Fuß oder auf dem Fahrrad, mit Kindern oder einem Hund, doch nie fühlt man sich bedrängt, so viel Raum steht hier zur Verfügung.
Auch der Elbe-Radwanderweg führt an Dresden vorbei. Er misst insgesamt 1220 Kilometer und verläuft von Spindleruv Mlyn (Spindlermühle) bis nach Cuxhaven über Prag, Pirna, Meissen, Hamburg. Es ist einer der beliebtesten Wanderwege dieser Art überhaupt.
Elbewasser ist sauber genug zum Schwimmen
Im Sommer führt die Elbe manchmal so wenig Wasser, dass nur noch ganz flache Kähne auf ihr fahren können. Dann liegen auch die Ausflugsdampfer der traditionellen „Weißen Flotte“ unter der Brühlschen Terrasse vor Anker und warten auf ihren Einsatz. Doch gewöhnlich kreuzen Schiffe auf dem Fluss. Wenn die weißen Dampfer zu Frühlingsbeginn frisch gestrichen und geschmückt mit bunten Wimpeln wieder ihre Fahrt aufnehmen, winken die Dresdner übermütig den Kapitänen zu. Dumpf dröhnend erwidern Schiffshupen den Gruß, schallen weit über das Wasser.
Trotz Schifffart ist das Elbewasser sauber genug zum Schwimmen. Dank Einführung des Internationalen Elbbadetages, traditionell immer Mitte Juli, wird auch offiziell dazu ermuntert. Seither sind auch die Elbschwimmer zurückgekehrt. Es sind Sommerschwimmer, Wassergleiter, Ungenierte. Sie wandern das Ufer hinauf, ziehen dann die Kleider aus und packen sie nebst Handtuch und Latschen in eine wasserdichte Tüte, um dann, wenn sie es sich unweit vom Ufer im Fluss bequem gemacht haben, sanft auf dem Rücken, stromabwärts zu gleiten. Nur Stirn und Nasenspitzen ragen heraus, natürlich auch die Zehen, doch nicht viel mehr.
Zugefrorene Elbe im Winter
Im Winter wird es sehr kalt in Dresden. Dann kann die Elbe sogar ganz zufrieren. Zu Fuß geht es vom Neustädter zum Altstädter Ufer hinüber, ganz ohne Brücke. 1963 muss es zum letzten Mal so gewesen sein, zuvor auch 1954 und in den Kriegsjahren 1940 und ‚42. 1784 hatte die Eisschicht eine Dicke von 110 Zentimetern.
Wenn die Temperaturen wieder zunehmen, schwimmen dicke Eisschollen im Wasser. Und an Karneval herrscht der Ausnahmezustand. Dresdner verkleidet in bunten Kostümen, stürzen sich kreischend und prustend in die Fluten. Die Eisschwimmer sind da und wollen beweisen, dass man auch bei Minus-Temeperaturen in der Elbe baden kann.
Wenn das Hochwasser kommt
Wenn Hochwasser herrscht, ist es mit all diesem Vergnügen schlagartig vorbei. 2013 war das zuletzt der Fall. 1845, 1890, 2002 und 2006 wurden ähnlich gefahrbringende Pegelstände erreicht. Jedes Jahr kann es sich wiederholen. Meist ereignet es sich im Frühjahr, wenn die Schneeschmelze mit ihren enormen Mengen an Wasser die Katastrophe auslöst. Doch auch der Spätherbst kann gefährlich werden, wenn die starken Regenfälle einsetzen. Manchmal passiert es aber auch mitten im Sommer. Dann ist es plötzlich furchtbar still in der Stadt, kein Auto mehr unterwegs. Nur die Hubschrauber kreisen mit ihren rotierenden Blättern über dem Häusermeer. Bedrohlich klingen ihre Motoren.
Intensiv wird daran gearbeitet, Menschen und Häuser vor den lebensbedrohenden Auswirkungen von Hochwasser zu bewahren. Das Leibniz-Institut für Ökologische Raumentwicklung hat über die Jahre unzählige Informationen darüber in Dresden und Umgebung gesammelt. Die Ergebnisse wurden in Datenbanken und Landkarten eingespeist. Über die Jahre sind so repräsentative Dokumente zu den bislang größten Elbe-Hochwässern entstanden.
Schwerpunkte waren dabei die Auswirkungen der Fluten in Dresden bis in den Landkreis Sächsische Schweiz im Südosten der Stadt. Neben den zahllosen Überschwemmungen konnte dadurch abgebildet werden, wie flussnahe Flächen im Oberen Elbtal seit dem 19. Jahrhundert generell genutzt wurden. Im Zusammenhang mit der erhöhten Hochwassergefahr wurden Vergleiche von historischen mit heutigen Siedlungsstrukturen gezogen. Das führte wieder zu neuen Erkenntnissen. Hoffnung bleibt, dass der Gefahr dadurch Einhalt geboten werden kann.