Wie gefährlich ist EPS-Dämmung wirklich?
Knapp ein Jahr liegt der Hochhausbrand von Grenfell Tower in London nun schon zurück. 17 Menschen kamen bei der Katastrophe am 14. Juni 2017 ums Leben. Nach wie vor hält sich der Eindruck, Dämmplatten hätten zu dem Großbrand geführt, die bei einer Rundumsanierung 2014 bis 2016 an das Gebäude montiert wurden. Auslöser für die Katastrophe sei also ein Fassadenbrand gewesen.
Wie groß ist die Gefahr eines Fassadenbrandes in unseren Breitengraden?
Seit die Bestimmungen zur Neu-Isolierung von Altbauten eingeführt wurden, ist die Unsicherheit hierzulande groß. Zur Dämmung von Fassaden wird gemeinhin Material aus Polystyrol eingesetzt. Der als Styropor bekannte Kunststoff wird aus Erdöl hergestellt. Tests haben in der Vergangenheit gezeigt, dass dieser Dämmstoff leicht Feuer fangen kann. Gerät etwa eine Mülltonne in Brand, die nah an einem Gebäude steht, könnten die Flammen leicht auf die Kunststoffmatten an der Hauswand übergehen.
Doch Experten winken ab. Wärmverbundsysteme mit Polystyrol-Dämmung (EPS-Dämmung) stellen keinerlei neues Brandrisiko dar, so der Brandschutzexperte Ingolf Kotthoff. In den vergangenen Jahren wurden drei Fassaden-Brände von den Medien aufgegriffen, darunter ein Fall in Delmenhorst, einer in Frankfurt am Main, doch in zwei Fällen ging es um Objekte, die sich noch im Bau befanden. Im dritten Fall war die Dämmung regelwidrig montiert worden.
Ein Blick auf die Statistik
Um die tatsächlichen Risiken im Gebäudebestand einzuschätzen, hilft ein Blick auf die Statistik. Von den rund 18 Millionen Wohngebäuden in Deutschland sind nach aktuellen Zahlen mehr als 40 Prozent mit einer Fassadendämmung ausgestattet. Etwa 80 Prozent dieser Dämmsysteme basieren auf EPS. Daraus ergibt sich rein rechnerisch, dass ein Drittel aller Wohnhäuser in Deutschland mit Hilfe von Polysterol isoliert wurden. Etwa jeder dritte Bundesbürger wohnt in einem Haus, das entsprechend gedämmt wurde. Bedenkt man nun, dass es jedes Jahr bundesweit zu rund 200.000 Bränden kommt, liegt es auf der Hand, dass auch viele Gebäude mit Außendämmung darunter sind. Medial bekannt wurden jedoch nur drei Fälle.
Entscheidend sind Qualität und Verarbeitung
Entscheidend für die Sicherung der Fassade gegen Brandgefahr ist ihre Verarbeitung. Der Gesetzgeber schreibt vor, die geforderten Dämmplatten flächendeckend zu verputzen. Das allein schützt das Gebäude nachhaltig. Ist die Fassade korrekt verputzt, kann das Dämmmaterial erst nach maximal 20 Minuten Feuer fangen. „Wenn die Fassadendämmung ordnungsgemäß ausgeführt wurde, dann ist sie beherrschbar“, sagt Hartmut Ziebs, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands.
Hinzu kommen die Bestimmungen zur Qualität des Materials. Je höher das Gebäude ist, desto zuverlässiger muss die Dämmung sein. Leicht entflammbare Materialien kommen grundsätzlich nicht in Frage. Bei Häusern mit maximal sieben Metern Höhe gehen Experten von einer schnellen Fluchtmöglichkeit im Brandfall aus. Danach richtet sich auch die Gesetzgebung. An Häusern bis zu dieser Höhe dürfen in der Fassadendämmung normal entflammbare Systeme verbaut werden.
Bei Gebäudehöhen zwischen sieben und zweiundzwanzig Metern müssen mindestens schwer entflammbare Dämmsysteme eingesetzt werden. Vorschrift ist ferner, sie mit feuerfesten Fensterstürzen oder umlaufenden Brandriegeln aus nicht brennbarer Mineralwolle zu kombinieren. Für noch höhere Bauten bis maximal 100 Meter sind nicht brennbare Dämmmaterialien obligatorisch.
Brandherde erfahrungsgemäß immer im Hausinneren
Die vorgeschriebenen Brandriegel oder Fensterstürze sind ein zusätzlicher Schutz für das EPS-Material. Denn ist ein Brand erst mal ausgebrochen – sei es im oder neben dem Gebäude – greifen die Flammen auch bei nichtbrennbaren Beton- oder Ziegelfassaden über die Fensteröffnungen auf höhere Etagen über, sofern die Feuerwehr nicht rechtzeitig eingreift. Allerdings, so zeigt die Analyse von Fachmann Kotthoff, wird die Fassade bei Zündquellen vor dem Haus bereits nach drei bis sieben Minuten von den Flammen erreicht, während ein Zimmerbrand sich erst nach zwölf bis dreizehn Minuten mit dem „Flash-Over“ auf die Außenwand auswirkt.
Nicht zuletzt liegen Brandherde von Hausbränden erfahrungsgemäß nur in ausgesprochen seltenen Fällen außerhalb des Gebäudes. Meist befindet sich diese immer im Hausinneren. Die Dämmung kann damit eigentlich fast nie zum Brand geführt haben. So bestätigt auch das Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung in seiner Statistik vom Jahr 2011: In 35 Prozent aller Brände war der Auslöser Elektrizität. 17 Prozent der Brände gingen auf menschliches Fehlverhalten zurück, neun Prozent auf Überhitzung zurück. Bei acht Prozent der untersuchten Ereignisse lag vorsätzliche Brandstiftung vor.