D&O-Verschaffungsklausel für Geschäftsführer
und Vorstände
D&O-Verschaffungsklausel für Geschäftsführer und Vorstände
Im Hinblick auf die strenge Organhaftung sollten Geschäftsführer und Vorstände darauf achten, dass das Unternehmen eine D&O‑Versicherung für sie abschließt und aufrechterhält. Sicherheit bietet eine sogenannte D&O‑Verschaffungsklausel in den Dienstverträgen. Eine entsprechende Klausel für die Aufsichtsräte sollte durch eine Satzungsregelung verankert werden.
I. Strenge Organhaftung als Grund für die Notwendigkeit einer D&O-Verschaffungsklausel
Pflichtvergessene Organwalter (= Geschäftsführer, Vorstände) haften bereits bei leichter Fahrlässigkeit unbegrenzt mit ihrem Privatvermögen. Ein Treiber der Organhaftung ist die ARAG-Doktrin des Bundesgerichtshofs (BGH, 21.04.1997 – II ZR 175/95 – ARAG/ Garmenbeck). Demnach besteht grundsätzlich eine Pflicht des Aufsichtsrats zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder. Sind sich Unternehmen und Organwalter (= Geschäftsführer, Vorstände) einig, dass das Unternehmen eine D&O‑Versicherung abschließt, sollte das Bestehen von D&O‑Versicherungsschutz in den Dienstverträgen durch eine D&O‑Verschaffungsklausel vertraglich zugesichert werden. In vielen Dienstverträgen wird der D&O‑Versicherungsschutz – wenn überhaupt – mit nur einem Satz abgehandelt: „Die Gesellschaft verpflichtet sich, für den Geschäftsführer eine D&O‑Versicherung abzuschließen respektive bereits bestehenden D&O‑Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten.“ Eine solch schlichte vertragliche Regelung bietet nur eine trügerische Sicherheit und sagt nichts über die Qualität des Versicherungsschutzes aus.
Folgende Punkte sind bei der Gestaltung einer D&O‑Verschaffungsklausel zu beachten:
II. Parameter für einen qualitativ hochwertigen D&O-Versicherungsschutz
1. Auswahl des D&O‑Versicherers
Von Bedeutung ist die Auswahl des D&O‑Versicherers. Entscheidend ist das Regulierungsverhalten der Versicherer. Statistiken zur D&O Schadenregulierungs-Praxis zeigen, dass in nur 7 % der gemeldeten D&O‑Fälle eine eindeutige Haftungslage gegeben ist. Ca. 70 % der Zahlungen aus D&O‑Policen betreffen Rechtskosten. Mehr als 90 % der Schadenersatzansprüche werden vergleichsweise erledigt. Die Praxis ist in tatsächlicher Hinsicht also dadurch geprägt, dass die Schadenausgleichsfunktion der D&O‑Versicherung gegenüber der Abwehr- und Rechtsschutzfunktion in den Hintergrund gerückt ist.
2. Deckungssumme
Ein weiterer Eckpfeiler des Versicherungsschutzes ist die Höhe der Deckungssumme. Die Leistungspflicht des Versicherers innerhalb einer Versicherungsperiode ist je Versicherungsfall und für alle Versicherungsfälle zusammen auf die dokumentierte Deckungssumme begrenzt. In D&O‑Schadenfällen mit mehreren versicherten Managern kann es vorkommen, dass ihre Deckungsansprüche die vertraglich vereinbarte Versicherungssumme übersteigen.
Gegebenenfalls kann der Organwalter (= Geschäftsführer, Vorstände) einen vertraglichen Anspruch auf Wiederauffüllung der Deckungssumme verhandeln. Dies setzt allerdings voraus, dass die D&O‑Versicherungsbedingungen vorsehen, dass das Unternehmen als Versicherungsnehmerin eine neue vollständige Deckungssumme für weitere Versicherungsfälle für zum Zeitpunkt der Wiederauffüllung noch nicht bekannte Pflichtverletzungen erwerben kann (sog. „Reinstatement“).
3. Anspruch auf Überlassung der D&O‑Police
Eine D&O‑Verschaffungsklausel im Dienstvertrag sollte die Gesellschaft unbedingt verpflichten, dem Manager die jeweils aktuelle D&O‑Police nebst Bedingungswerk in Kopie auszuhändigen. Oftmals wissen Organwalter (= Geschäftsführer, Vorstände) nicht, ob und inwieweit das Unternehmen für sie eine D&O‑Police abgeschlossen hat.
4. Qualität der D&O‑Versicherungsbedingungen
Die Bedingungswerke der D&O‑Versicherer weichen stark voneinander ab. Dies betrifft die Qualität der Versicherungsbedingungen. Da sich der D&O‑Markt ständig ändert, sollten die jährlich neuen Vertragsverlängerungen („Renewal“) auch immer gleich im Hinblick auf die Bedingungsqualität überprüft werden. Hierbei ist insbesondere auf Folgendes zu achten:
a. Honorargarantie-Klausel
Auf Organhaftung spezialisierte Anwälte rechnen üblicherweise auf Stundensatzbasis und nicht nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ab. Die Qualität einer D&O‑Versicherung zeigt sich insbesondere daran, ob der Versicherer auch tatsächlich die Honorare der Anwälte übernimmt. In den D&O‑Versicherungsbedingungen sollte deshalb festgeschrieben sein, dass es keiner Abstimmung mit dem Versicherer hinsichtlich der Anwaltswahl und der Honorarvereinbarung bedarf, wenn der Rechtsanwalt über ein vom Versicherer akzeptiertes Anwaltspanel vermittelt wird.
b. Schiedsgericht
Für komplexe Schadenfälle sollten D&O‑Vertragsbedingungen die Option eines institutionalisierten Schiedsgerichtsverfahrens bieten. Der Vorteil besteht darin, in einem D&O‑Schadenfall Haftung und Deckung in einem einheitlichen Verfahren verbindlich klären zu lassen. Schiedsgerichtsverfahren – ohne Instanzenzug – werden schneller abgehandelt als Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und sind auch nicht mit einer Gerichtsöffentlichkeit verbunden. Im Vorfeld ist bei den Überlegungen zur Option eines Schiedsgerichtsverfahrens zu beachten, dass im schiedsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich keine Streitverkündungen möglich sind.
c. Reputationsschäden
Wird die Haftungsfeststellung bei den ordentlichen Gerichten geklärt, geht die damit verbundene Gerichtsöffentlichkeit oftmals mit einer negativen Presseberichterstattung einher. Droht durch eine Medienberichterstattung über einen D&O‑Versicherungsfall ein karrierebeeinträchtigender Reputationsschaden für den Manager, sollte der D&O‑Versicherungsschutz Public-Relations-Kosten als Bestandteil der Abwehrkosten gewähren und die entstehenden Kosten für Honorare eines mit der Minderung oder Verhinderung des Reputationsschadens beauftragten Beraters für Öffentlichkeitsarbeit decken.
d. Versicherungsschutz für operative Tätigkeiten
D&O‑Versicherungspolicen können unsichtbare Deckungsausschlüsse beinhalten. Dies gilt insbesondere für operative Tätigkeiten. Mit dem Argument, dass die D&O‑Versicherung ausschließlich auf „Management-Entscheidungen“ Anwendung findet und nicht auf Pflichtverletzungen im Tagesgeschäft, verweigert der D&O‑Versicherer dann die Leistung. Entscheiden beispielsweise Vorstände selbst über die Vergabe eines Kredits, deckt die D&O‑Versicherung Pflichtverletzungen nicht, wenn operative Tätigkeiten nicht ausdrücklich mitversichert sind.
e. Gehaltsfortzahlungen und Abfindungen
In der D&O‑Schadenfallpraxis versuchen Unternehmen oftmals, ihre behaupteten Schadenersatzansprüche, die im Rahmen der Versicherungsbedingungen versichert wären, aufzurechnen oder Zurückbehaltungsrechte geltend zu machen gegen dienstvertragliche Ansprüche der Geschäftsführer bzw. Vorstände. Deshalb sehen qualitativ hochwertige D&O‑Policen Klauseln vor, wonach fortlaufende Gehaltsfortzahlungen ermöglicht werden und auch Abfindungsleistungen im Rahmen eines Sublimits übernommen werden.
f. Kontinuitätsgarantie
Verlangt der Versicherer im Rahmen der jährlichen D&O‑Vertragsverlängerung Deckungsausschlüsse – beispielsweise für Korruption, Kartellverstöße oder wegen Cum-Ex – und reduziert womöglich gleichzeitig die Deckungssumme, dann gilt dieser eingeschränkte Versicherungsschutz rückwirkend für jedwede Pflichtverletzung und spätere Schadenersatzansprüche sind aufgrund des Claims-Made-Prinzip vom D&O‑Versicherungsschutz ausgeschlossen. Die Kontinuitätsgarantie in den D&O‑Versicherungsbedingungen schließt diese deckungsvernichtende Rückwirkung aus, so dass Deckungssummenreduzierungen und Versicherungsausschlüsse nur für die Zukunft wirken und mögliche „Altlasten“ versichert bleiben. Zukünftigen Haftungsgefahren können Organwalter (= Geschäftsführer, Vorstände) dann mit gesteigerten Compliance-Maßnahmen begegnen.
g. Nachmeldefrist
Endet das Versicherungsverhältnis, bleiben Versicherungsfälle versichert, die nach Vertragsende innerhalb der Nachmeldefrist eintreten, wenn die entsprechenden Pflichtverletzungen innerhalb der Vertragsdauer oder dem Zeitraum einer vereinbarten Rückwärtsdeckung begangen wurden. Organhaftungsansprüche verjähren für GmbH-Geschäftsführer und Vorstände einer Aktiengesellschaft in fünf Jahren. Zu beachten ist, dass die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, wenn der Schaden entstanden ist. Wichtig ist also, dass das Versicherungsverhältnis aufrechterhalten bleibt bzw. im Falle der Beendigung ausreichend lange Nachmeldefristen in den Versicherungsbedingungen festgeschrieben sind.
h. Strafrechtsschutzbaustein
Die D&O‑Versicherungsbedingungen sollten einen Strafrechtsschutzbaustein beinhalten. Nicht selten wird wegen einer möglichen Pflichtverletzung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder sogar Untersuchungshaft angeordnet. Der D&O‑Versicherer muss dann die Kosten der Abwehr dieser Verfahren decken. Der Strafrechtsschutzbaustein ist in der Regel mit einem Sublimit versehen.
III. Fazit und Handlungsempfehlung
Die D&O‑Verschaffungsklausel in den Dienstverträgen der Vorstände und Geschäftsführer ist ebenso wichtig wie die D&O‑Versicherung selbst. Die Gestaltung der D&O‑Verschaffungsklausel muss im Einzelfall anwaltlich geprüft werden. Ein mit der juristischen Ausgestaltung erfahrener Rechtsanwalt kann Fallstricke vermeiden. Nach den Vorgaben der anwaltlichen Empfehlung sollte ein unabhängiger Versicherungsmakler für die Platzierung eines bestmöglichen Versicherungsschutzes zu Rate gezogen werden.
gerne an.
Ansprechpartner:
Moritz Graf Brühl
Geschäftsführer | GRAF BRÜHL Versicherungsmakler GmbH Freiherr-vom-Stein-Str. 15 |
60323 Frankfurt am Main | Telefon +49 (0)69 1700 70 11 | moritz@grafbruehl.com |
www.grafbruehl.com
Dr. jur. Burkhard Fassbach
Rechtsanwalt | Mobil: +49 152 54386727 | E‑Mail: burkhard.fassbach@t‑online.de
Schriftenverzeichnis: http://tinyurl.com/4smej9ms
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