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Die Funktionsweise der D&O-Versicherung im Schadenfall – Teil 2

Vorsatz- bzw. Wissentlichkeitsausschluss

D&O‑Policen enthalten stets eine Vorsatz- bzw. Wissent­lich­keits­aus­schluss­klausel. Gemäß dieser Klausel wird im Falle einer vorsätz­li­chen bzw. wissent­li­chen Pflicht­ver­let­zung kein Versi­che­rungs­schutz gewährt. Dies bedeutet, dass der D&O‑Versicherer weder die Abwehr­kosten noch die Frei­stel­lung der versi­cherten Person leistet. Stellt sich im Haftungs­pro­zess bzw. Deckungs­pro­zess heraus, dass ein Manager vorsätz­lich bzw. wissent­lich seine Pflichten verletzt hat, muss der betrof­fene Manager die vom D&O‑Versicherer bereits aufge­wen­deten Rechts­schutz­kosten zurück­ge­währen und die klagende Gesell­schaft profi­tiert trotz eines pflicht­wid­rigen und scha­den­ver­ur­sa­chenden Verhal­tens des Mana­gers nicht von der Scha­den­aus­gleichs­funk­tion der D&O‑Versicherung.

Vorvertragliche Obliegenheitsverletzungen

Vorvertragliche Obliegenheitsverletz-ungen

Ein weiteres deckungs­recht­li­ches Risiko sind die sog. vorver­trag­li­chen Oblie­gen­heits­ver­let­zungen. Bei Abschluss der Versi­che­rung fragt der D&O‑Versicherer insbe­son­dere nach bekannten Pflicht­ver­let­zungen. Der für den Abschluss einer D&O‑Versicherung zustän­dige Vorstand bzw. Geschäfts­führer muss die Frage beant­worten, ob ihm Pflicht­ver­let­zungen oder Umstände bekannt sind, die zu einem Scha­dens­fall führen können. Falsche Angaben hierbei können später zum Verlust des Versi­che­rungs­schutzes führen.

Haftungs- und Deckungsvergleich

Statis­tiken zur D&O Scha­den­re­gu­lie­rungs-Praxis zeigen, dass in nur 7 % der gemel­deten D&O‑Fälle eine deut­liche Haftungs­lage gegeben ist. Ca. 70 % der Zahlungen aus D&O‑Policen betreffen Rechts­kosten. Mehr als 90 % der Scha­den­er­satz­an­sprüche werden vergleichs­weise erle­digt. Beispiel­haft wird auf den pres­se­be­kannten D&O‑Schadenfall „VW Diesel­gate“ verwiesen. Der Aufsichtsrat der Volks­wagen AG hatte beschlossen, den ehema­ligen Vorstands­vor­sit­zenden Winter­korn (und andere) wegen akti­en­recht­li­cher Sorg­falts­pflicht­ver­let­zungen auf Scha­dens­er­satz in Anspruch zu nehmen, weil dieser es nach Über­zeu­gung des Aufsichts­rats unter­lassen hatte, die Hinter­gründe des Einsatzes unzu­läs­siger Soft­ware­funk­tionen unver­züg­lich und umfas­send aufzu­klären. Auch dieser Fall mündete in einem Haftungs- und Deckungs­ver­gleich. Der wesent­liche Inhalt der Vergleichs­ver­ein­ba­rungen wurde in einem gemein­samen Bericht von Aufsichtsrat und Vorstand der VOLKS­WAGEN AG veröf­fent­licht und ist hier abrufbar: https://www.volkswagenag.com/presence/investorrelation/publications/sonstrechtlangelegentheiten/2021/Vorabinformation%20Bericht.pdf

Eigenschadendeckung

Die Eigen­scha­den­de­ckung betrifft Fälle, in denen das geschä­digte Unter­nehmen den Manager nicht haft­pflichtig machen kann. Hierzu folgende Fallkonstellationen:

Der Geschäfts­füh­rer­an­stel­lungs­ver­trag des Geschäfts­füh­rers einer GmbH sieht vor, dass der Geschäfts­führer gegen­über der Gesell­schaft ab dem Verschul­dens­grad der „groben Fahr­läs­sig­keit“ haftet. Der Manager begeht einfach fahr­lässig eine Pflicht­ver­let­zung, die zu einem Schaden des Unter­neh­mens führt.

Der unent­gelt­lich tätige Vorstand eines Vereins verur­sacht durch eine einfach fahr­läs­sige Pflicht­ver­let­zung einen finan­zi­ellen Schaden zu Lasten des Vereins. Die gesetz­liche Rege­lung in § 31a BGB sieht eine Haftungs­frei­stel­lung des Vorstandes vor.

Im Rahmen der Klausel Eigen­scha­den­de­ckung bietet der Versi­cherer Versi­che­rungs­schutz für Schäden aufgrund von Pflicht­ver­let­zungen, die durch versi­cherte Personen begangen wurden, soweit deren Haftung allein deswegen ausge­schlossen ist, weil die Versi­che­rungs­neh­merin oder Toch­ter­ge­sell­schaften sie vor Bege­hung der Pflicht­ver­let­zung von einer Haftung rechts­wirksam befreit/​freigestellt (z.B. im Anstel­lungs­ver­trag) haben. Die Eigen­scha­den­de­ckung greift auch, soweit vor Kenntnis der Versi­che­rungs­neh­merin oder Toch­ter­ge­sell­schaften von der Pflicht­ver­let­zung auf die Geltend­ma­chung und/​oder Durch­set­zung von Ansprü­chen rechts­wirksam verzichtet wurde. Entspre­chendes gilt im Falle einer gesetz­li­chen Haftungs­frei­stel­lung – z.B. die des § 31a Absatz 1 BGB.

Die Eigen­scha­den­de­ckung gilt auch, soweit versi­cherte Personen aufgrund der Grund­sätze über den inner­be­trieb­li­chen Scha­dens­aus­gleich von einer Haftung gegen­über der Versi­che­rungs­neh­merin oder Toch­ter­ge­sell­schaften frei­ge­stellt sind. Die Grund­sätze des inner­be­trieb­li­chen Scha­dens­aus­glei­ches gelten nach dem BGH (Urteile vom 25. Juni 2001 – II ZR 38/99 – und vom 14. März 1983 – II ZR 103/82) auch für leitende Ange­stellte. Für Geschäfts­führer und Vorstände ist frag­lich, ob die Recht­spre­chung den strengen Haftungs­maß­stab korri­giert und in Anleh­nung an die im Arbeits­recht entwi­ckelten Grund­sätze zur begrenzten Haftung von Arbeit­neh­mern bei „betriebs­be­dingten“ scha­den­stif­tenden Hand­lungen eine entspre­chende Haftungs­mil­de­rung für Organ­mit­glieder im Wege der rich­ter­li­chen Rechts­fort­bil­dung errei­chen kann. Das OLG Zwei­brü­cken (4 U 198/21, r+s 2023, 124) hat entschieden, dass die im konkreten Fall auf Scha­dens­er­satz verklagte Geschäfts­füh­rerin zwar leicht fahr­lässig gehan­delt, dabei aber keine Pflicht verletzt habe, die sie gerade in ihrer Eigen­schaft als Geschäfts­füh­rerin treffe. Es ging um eine Über­wei­sung. Diese sei nach Ansicht des Senats übli­cher­weise Aufgabe der Buch­hal­tung gewesen; die Unter­neh­mens­lei­tung sei nicht betroffen. Für solche Tätig­keiten, die ebenso gut von einem Dritten hätten vorge­nommen werden können und die nur bei Gele­gen­heit der Geschäfts­füh­rung vorge­nommen worden seien, so der Senat u. a. mit Verweis auf eine Lite­ra­tur­an­sicht, scheide eine Organ­haf­tung aus. Da Revi­sion nicht einge­legt wurde, bleibt die grund­sätz­liche Frage weiterhin ungeklärt.

Prozessfinanzierung

Für versi­cherte Unter­nehmen spielt die Prozess­fi­nan­zie­rung in der D&O‑Schadenfallpraxis eine zuneh­mend wich­ti­gere Rolle. Im Rahmen der Anspruchs­prü­fung und Risi­ko­ana­lyse kann eine „second opinion“ eines unab­hän­gigen Prozess­fi­nan­zie­rers wert­voll sein. Gegen­stand einer Prozess­fi­nan­zie­rung ist die Verein­ba­rung, dass ein finan­zie­rendes Unter­nehmen das Prozess­ri­siko des Klägers gegen Zahlung einer Erlös­be­tei­li­gung über­nimmt. Obsiegt der Kläger, erhält der Prozess­fi­nan­zierer einen Anteil aus der Klage­for­de­rung als Erlös­be­tei­li­gung, deren Höhe prozen­tual und/​oder gestaf­felt vorab im Prozess­fi­nan­zie­rungs­ver­trag fest­zu­legen ist. Unter­liegt der Kläger, über­nimmt das prozess­fi­nan­zie­rende Unter­nehmen die Gerichts­kosten sowie die gesetz­li­chen Gebühren des kläge­ri­schen und des gegne­ri­schen Prozess­be­voll­mäch­tigten. Die Details sind in einem auf den jewei­ligen Einzel­fall anzu­pas­senden Prozess­fi­nan­zie­rungs­ver­trag zu regeln, der zwischen dem Kläger und dem prozess­fi­nan­zie­renden Unter­nehmen geschlossen wird. Für die grund­sätz­lich klage­be­reite Gesell­schaft hat die Einschal­tung eines Prozess­fi­nan­zie­rers den Vorteil, dass dieser – ohne Inter­es­sen­kon­flikte zu unter­liegen – eine neutrale Prüfung der Klage vornehmen wird, die sich ausschließ­lich an den Erfolgs­aus­sichten der Klage und der Beitreib­bar­keit der Ansprüche orien­tiert. Inso­weit kann das ableh­nende Votum eines Prozess­fi­nan­zie­rers im Einzel­fall Anlass geben, die Erfolgs­aus­sichten der Klage einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

Fazit und Handlungsempfehlung

Versi­cherte Unter­nehmen müssen den D&O‑Versicherungsfall unver­züg­lich anzeigen. Die Scha­den­mel­dung sollte über einen spezia­li­sierten Versicherungs­makler erfolgen. Der Versicherungs­makler steht als Sach­walter der Versi­che­rungs­neh­merin im Lager des geschä­digten Unter­neh­mens und kann im D&O‑Schadenfall im Hinblick auf das Leis­tungs­ver­spre­chen der Police eine einwand­freie Funk­ti­ons­weise der Deckung durch sog. Moni­to­ring Aufgaben über­nehmen. Hierbei handelt es sich insbe­son­dere um die Über­nahme von Koor­di­na­tions- und Mode­ra­ti­ons­auf­gaben in der Verhand­lungs­füh­rung zwischen der Versi­che­rungs­neh­merin und den versi­cherten Personen, deren anwalt­li­chen Vertre­tern sowie die dazu­ge­hö­rige Korre­spon­denz mit den Versicherern.

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Moritz Graf Brühl
Geschäfts­führer | GRAF BRÜHL Versicherungs­makler GmbH Frei­herr-vom-Stein-Str. 15 |
60323 Frank­furt am Main | Telefon +49 (0)69 1700 70 11 | moritz@​grafbruehl.​com |
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Dr. jur. Burk­hard Fass­bach
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