google translate

VW Dieselgate - Minderheitsaktionäre obsiegen beim Bundesgerichtshof

Der BGH hat mit Urteil vom 30. September 2025 entschieden, dass die Vergleiche von VW mit Manager-Versicherungen nichtig sind.

Die SdK Schutz­ge­mein­schaft der Kapi­tal­an­leger e.V. hat die Grund­satz­ent­schei­dung bei Haftungs­ver­glei­chen im Fall Volks­wagen AG erstritten und bezeichnet den Sieg als einen großen Erfolg für den Aktio­närs­schutz, die Aktio­närs­rechte und die Aktio­närs­kultur. Verwiesen wird auf die Pres­se­mit­tei­lung der SdK vom 30. September 2025.

Über die Klage der Minder­heits­ak­tio­näre haben wir bereits in einem Beitrag mit dem Titel VW Diesel­gate: Mino­rity Share­hol­ders File Suit Against D&O Sett­le­ment” im November 2021 ausführ­lich berichtet.

Der unter anderem für das Gesell­schafts­recht zustän­dige II. Zivil­senat des Bundes­ge­richts­hofs hat den Beschluss der Haupt­ver­samm­lung der Volks­wagen AG über die Zustim­mung zu einem Deckungs­ver­gleich mit D&O‑Versicherern im sog. „Diesel­skandal“ für nichtig erklärt. Soweit die Haupt­ver­samm­lungs­be­schlüsse über die Zustim­mung zu Haftungs­ver­glei­chen mit ehema­ligen Mitglie­dern des Vorstands ange­fochten wurden, muss das Ober­lan­des­ge­richt erneut verhan­deln und entscheiden.

In einer Pres­se­mit­tei­lung schil­dert die Pres­se­stelle des Bundes­ge­richts­hofs den Sach­ver­halt, den bishe­riger Prozess­ver­lauf sowie die Entschei­dung des Bundesgerichtshofs.

I. Sachverhalt:

Die beklagte Volks­wagen AG schloss im Juni 2021 Haftungs­ver­gleiche mit ihrem ehema­ligen Vorstands­vor­sit­zenden und einem ehema­ligen Vorstands­mit­glied sowie darauf bezo­gene Deckungs­ver­gleiche mit D&O‑Versicherern zur Abgel­tung und Erle­di­gung mögli­cher Scha­dens­er­satz­an­sprüche und darauf beru­hender Deckungs­an­sprüche gegen die Versi­cherer. Sie war auf der Grund­lage eines Unter­su­chungs­be­richts und weiterer Prüfungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die beiden vorma­ligen Vorstands­mit­glieder ihre Sorg­falts­pflichten im Zusam­men­hang mit dem sog. „Diesel­skandal“ fahr­lässig verletzt hätten, weil sie Anhalts­punkte für den Einsatz unzu­läs­siger Soft­ware­funk­tionen von Diesel­mo­toren nicht zum Anlass einer unver­züg­li­chen Aufklä­rung genommen hätten. Die Vergleiche sahen als Eigen­bei­träge bezeich­nete Zahlungen der ehema­ligen Vorstands­mit­glieder in Höhe von 11,2 Mio. € bzw. 4,1 Mio. € und Zahlungen der D&O‑Versicherer in Höhe von rund 270 Mio. € vor. Die Volks­wagen AG verpflich­tete sich ihrer­seits, die beiden ehema­ligen Vorstands­mit­glieder von bestimmten Ansprü­chen frei­zu­stellen, welche Dritte im Zusam­men­hang mit dem rele­vanten Sach­ver­halt gegen diese geltend machen könnten. In dem Deckungs­ver­gleich verpflich­tete sie sich zudem, näher bestimmte sons­tige Personen, darunter sämt­liche weitere ehema­ligen oder amtie­renden Mitglieder des Vorstands und des Aufsichts­rats, dauer­haft nicht mehr in Anspruch zu nehmen.

Die Haupt­ver­samm­lung der Volks­wagen AG stimmte den Vergleichs­ver­ein­ba­rungen am 22. Juli 2021 mit Mehr­heiten von über 99% zu. Die Kläger sind Kapi­tal­an­le­ger­schutz­ver­ei­ni­gungen. Sie erklärten als Aktio­näre der Volks­wagen AG gegen die Zustim­mungs­be­schlüsse Wider­spruch zur Niederschrift.

Die Kläger wenden sich u.a. gegen die Zustim­mungs­be­schlüsse und meinen, diese seien nichtig, jeden­falls aber anfechtbar.

II. Bisheriger Prozessverlauf:

Das Land­ge­richt hat die Klage abge­wiesen. Die von den Klägern einge­legte Beru­fung hat das Ober­lan­des­ge­richt zurück­ge­wiesen. Mit der vom Ober­lan­des­ge­richt zuge­las­senen Revi­sion haben die Kläger und ihr Streit­helfer ihre Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.

III. Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revi­sion der Kläger hatte in wesent­li­chen Punkten Erfolg. Die Zustim­mungs­be­schlüsse sind aller­dings nicht wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Rück­ge­währ von Einlagen (§ 57 Abs. 1 AktG) nichtig und die Beschlüsse verstoßen auch nicht gegen § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG, weil die dort bestimmte Sperr­frist von drei Jahren nicht einge­halten wurde.

Der Beschluss über die Zustim­mung zum Deckungs­ver­gleich ist aber wegen eines Geset­zes­ver­stoßes anfechtbar und für nichtig zu erklären. In der Tages­ord­nung, die in der Einbe­ru­fung zur Haupt­ver­samm­lung ange­geben war, wurde nicht den Anfor­de­rungen des § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG entspre­chend mitge­teilt, dass mit dem Deckungs­ver­gleich ein Verzicht gegen­über sämt­li­chen amtie­renden und ausge­schie­denen Organ­mit­glie­dern der Beklagten verbunden war, der nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG bzw. § 117 Abs. 4, § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG der Zustim­mung der Haupt­ver­samm­lung bedurfte. Die dies­be­züg­li­chen Angaben in dem Bericht des Vorstands genügen nicht, da sie nicht mehr Teil der in der Einbe­ru­fung ange­ge­benen Tages­ord­nung waren. Der durch­schnitt­liche Aktionär musste nicht damit rechnen, dass die Infor­ma­tionen zu einer Beschluss­fas­sung über einen Verzicht gegen­über einer Viel­zahl weiterer Organ­mit­glieder in den weiteren Infor­ma­tionen zu den betref­fenden Tages­ord­nungs­punkten enthalten waren.

Soweit das Ober­lan­des­ge­richt die Anfecht­bar­keit der den Haftungs­ver­glei­chen zustim­menden Beschlüsse gemäß § 243 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 AktG wegen einer Verlet­zung des Frage­rechts nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 COVMG aF verneint hat, hielt dies einer recht­li­chen Prüfung nicht stand. Mit der gege­benen Begrün­dung konnte nicht ange­nommen werden, dass die verlangte Auskunft zu den Vermö­gens­ver­hält­nissen der ehema­ligen Mitglieder des Vorstands für die Ausübung der Aktio­närs­rechte im Rahmen der Entschei­dung über die Zustim­mung zu den Haftungs­ver­glei­chen nicht wesent­lich war. Der Bericht des Aufsichts­rats und des Vorstands gibt als wesent­li­chen Grund für den Abschluss der Vergleichs­ver­ein­ba­rungen unter anderem an, die finan­zi­elle Leis­tungs­fä­hig­keit der in Anspruch genom­menen Personen erreiche auch unter Berück­sich­ti­gung der Versi­che­rungs­summe bei weitem nicht die diesen Personen aus Sicht der Gesell­schaft zure­chen­baren Schäden. Auskünfte zur Vermö­gens­lage der in Anspruch genom­menen ehema­ligen Mitglieder des Vorstands waren zumin­dest inso­weit für eine infor­mierte Entschei­dung über die Zustim­mung erfor­der­lich, als es darum ging, diese Beur­tei­lung nach­zu­voll­ziehen. Die erteilten Auskünfte insbe­son­dere zu den bezo­genen Einkommen genügen hierfür nicht, weil sich aus diesen Angaben nicht erschließt, in welchem Umfang etwaige Haftungs­an­sprüche durch eigenes Vermögen der ehema­ligen Vorstands­mit­glieder gedeckt gewesen wären. Der Bundes­ge­richtshof konnte auf der Grund­lage der Fest­stel­lungen nicht zuver­lässig ableiten, ob die im Bericht des Vorstands und des Aufsichts­rats wieder­ge­ge­bene Annahme unter Berück­sich­ti­gung der in der Haupt­ver­samm­lung erteilten Auskünfte hinrei­chend erläu­tert wurde.

IV. Reaktion der Minderheitsaktionäre:

Die Minder­heits­ak­tio­näre begrüßen diese Entschei­dung. Im Folgenden wird auf ein

State­ment auf LinkedIn vom 30. September 2025 von Dr. Marc Lieb­scher, Vorstandsmitglied

der SdK Schutz­ge­mein­schaft der Kapi­tal­an­leger e.V., verwiesen: Die Kenntnis über die Vermö­gens­ver­hält­nisse ermög­licht den Aktio­nären erst eine ordnungs­ge­mäße Beur­tei­lung über die Beschluss­fas­sung zu den Haftungs­ver­glei­chen. Dies ist im vorlie­genden Fall umso dring­li­cher, als die sog. Eigen­bei­träge der betrof­fenen Vorstands­mit­glieder zumin­dest teil­weise durch Verzichte auf Gehalts­be­stand­teile erfolgen sollten, deren Bestehen in Anbe­tracht der Verstöße zwei­fel­haft sein dürften. Darüber hinaus machen die Eigen­bei­träge nur einen verschwin­dend geringen Bruch­teil des Scha­dens aus. Ohne diese Ermitt­lungen bleibt die Vorstands­haf­tung im deut­schen Akti­en­recht ein theo­re­ti­sches Konstrukt, das sich in der Praxis als reine Farce darstelle. Das Infor­ma­ti­ons­recht der Aktio­näre steht auch nicht zur Dispo­si­tion einer wie auch immer gear­teten Mehrheit.

Beim Vergleich mit den D&O‑Versicherern (sog. Deckungs­ver­gleich) bemän­gelte der BGH im Rahmen der Ladung zur Haupt­ver­samm­lung die mangelnde Trans­pa­renz, da in der Ladung nicht ange­geben worden ist, dass der Deckungs­ver­gleich einen Verzicht auf Anspruchs­durch­set­zung gegen­über einer Viel­zahl – bis zu 170 Personen – von amtie­renden und ehema­ligen Organ­mit­glie­dern vorsehe. Der BGH stärkt mit der Entschei­dung die Recht­stel­lung der Aktio­näre, die nur anhand der Ladung und – gerade – der Tages­ord­nung erkennen und entscheiden können sollen, ob und wie sie an der Haupt­ver­samm­lung teil­nehmen möchten oder nicht.

Diese deut­liche Klar­stel­lung durch den BGH und die Posi­tio­nie­rung für Trans­pa­renz durch den BGH ist zu begrüßen. Dadurch wird verhin­dert, dass Infor­ma­tionen über wesent­liche Rege­lungen eines sehr umfang­rei­chen und komplexen Vertrags­werkes vorent­halten werden, die ein durch­schnitt­li­cher Aktionär nicht oder nur mühsam finden wird. Es wird schon einen Grund geben, warum VW diesen Verzicht in dem Deckungs­ver­gleich nicht, wie in § 124 Abs. 2 Satz 3, Alt. 4 AktG vorge­sehen, hinrei­chend trans­pa­rent und damit promi­nent beim Tages­ord­nungs­punkt „D&O‑Deckungsvergleich“ ange­geben hat. Es kann nicht (mehr) zwei­fel­haft sein, dass die Enthaf­tung einer Viel­zahl amtie­render und ehema­liger Organ­mit­glieder ein wesent­li­cher Inhalt eines Deckungs­ver­glei­ches ist, schon weil eine derartig weit­rei­chende Rege­lung in einem Deckungs­ver­gleich gar nicht zu erwarten war. Trans­pa­renter wäre es gewesen, eine solche Rege­lung in einen geson­derten Haftungs­ver­gleich mit weiteren amtie­renden und ehema­ligen Organ­wal­tern einzubetten.

Die Entschei­dung des BGH ist ein guter Tag für den Aktio­närs­schutz, die Aktio­närs­rechte und die Aktionärskultur.

V. Fazit und Ausblick:

Das BGH Urteil ist für die D&O Scha­den­re­gu­lie­rungs­praxis in Deutsch­land sehr rele­vant. Die folgenden Ausfüh­rungen beziehen sich auf die erst­klas­sige und grund­le­gende Disser­ta­tion von Dennis Fritz zum Thema Organ­haf­tungs­ver­gleich zwischen Aktien- und D&O‑Versicherungsrecht.

In der Praxis enden die meisten Strei­tig­keiten zwischen Akti­en­ge­sell­schaften und ihren Organ­mit­glie­dern nicht mit einem Urteil staat­li­cher Gerichte, sondern mit einem Vergleich. Beispiel­haft zu nennen sind die in der Öffent­lich­keit bekannt gewor­denen Fälle Bilfinger, Conergy, Deut­sche Bank, Rhein­me­tall und Siemens. An solchen Verein­ba­rungen sind aber nicht nur Akti­en­ge­sell­schaften und die in Anspruch genom­menen Organ­mit­glieder betei­ligt, bei denen es sich sowohl um Vorstands- als auch um Aufsichts­rats­mit­glieder handeln kann. Regel­mäßig wirken außerdem D&O‑Versicherungsunternehmen mit.

Es muss diffe­ren­ziert werden zwischen Haftungs‑, Deckungs- und kombi­nierten Verglei­chen. Haftungs­ver­gleiche sind Verträge, die zwischen Akti­en­ge­sell­schaften und ihren Organ­mit­glie­dern zustande kommen. Durch sie legen die Betei­ligten Strei­tig­keiten bei, die sich aus dem Organ­haf­tungs­ver­hältnis ergeben. Bei Konflikten über das Bestehen des Deckungs­an­spruchs aus einem D&O‑Versicherungsvertrag kann ein Deckungs­ver­gleich zustande kommen. Ziel eines kombi­nierten Vergleichs ist es, sämt­liche Strei­tig­keiten sowohl aus dem Deckungs- als auch aus dem Haftungs­ver­hältnis einver­nehm­lich beizulegen.

Des Weiteren ergeben sich prak­tisch bedeut­same Schwie­rig­keiten, wenn eine große Zahl von Versi­che­rungs­un­ter­nehmen an einem Vergleich betei­ligt ist. Organ­haf­tungs­ver­gleiche erlangen ihre beson­dere Komple­xität nämlich dadurch, dass Versi­che­rungs­pro­gramme meist aus mehreren D&O‑Versicherern bestehen. Diese decken einen Schaden nicht nur im Sinne der Mitver­si­che­rung neben‑, sondern außerdem in Form soge­nannter Exze­den­ten­ver­si­che­rern nacheinander.

Sie möchten Näheres über die D&O-Versicherung erfahren?

Sprechen Sie uns jederzeit gerne an.

Artikel in Ihrem Netz­werk teilen

Diese Website durchsuchen Suchbegriff... [Enter-Taste]
Menü schließen
[wpaicg_chatgpt]
Wir freuen uns auf Ihre Nachricht

Neben dem Kontakt­for­mular errei­chen Sie uns auch per  Telefon: +49 (69) 1700 700 und per E‑Mail: service@​grafbruehl.​com.

Senden Sie uns eine Nachricht