EuGH-Urteil zur Gruppenversicherung
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat kürzlich entschieden, dass jeder, der externe Mitglieder für seine Gruppenversicherung anwirbt, als Versicherungsvermittler gilt.
Das neue Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Gruppenversicherung bringt klare Änderungen für Unternehmen, die Gruppenversicherungen anbieten, und Versicherungsvermittler. Die Entscheidung legt fest, unter welchen Umständen ein Versicherungsnehmer (VN) als Vermittler gilt und welche gesetzlichen Pflichten sich daraus ergeben. Besonders betroffen sind Organisationen, die Gruppenverträge für ihre Mitglieder anbieten. Das Urteil verändert damit auch die bisherigen Bewertungen der Finanzaufsicht BaFin und der Industrie- und Handelskammern (IHK) zu diesem Thema.
Strenge Anforderungen an den Vermittlerstatus
Wenn der Hauptversicherungsnehmer einer Gruppenversicherung als Versicherungsvermittler tätig wird, braucht er eine Erlaubnis gemäß § 34d der Gewerbeordnung (GewO). Ohne diese Erlaubnis ist die Vermittlungstätigkeit illegal und kann zu Bußgeldern führen oder von den Behörden untersagt werden. Außerdem dürfen Versicherungsunternehmen nur mit Vermittlern zusammenarbeiten, die die notwendige Erlaubnis haben.
Die EuGH-Entscheidung verschärft die Definition des „Versicherungsvermittlers“. Wer für seine Gruppenversicherung externe Mitglieder anwirbt oder in irgendeiner Form wirtschaftliche Vorteile – sei es direkte Provisionen oder andere Gegenleistungen – erhält, gilt als Vermittler und muss entsprechend zugelassen sein. Dies betrifft auch Fälle, in denen die IHK oder die BaFin bisher keine Erlaubnispflicht gesehen haben.
Die Bedeutung des EuGH-Urteils
Das EuGH-Urteil hat klargestellt, dass der Begriff der Vergütung weit ausgelegt werden muss. Dies umfasst nicht nur finanzielle Provisionen, sondern jede Form von wirtschaftlichem Vorteil, der mit der Versicherungsvermittlung verbunden ist. Wer also Dritte in eine Gruppenversicherung aufnimmt und dabei einen Vorteil – direkt oder indirekt – erlangt, gilt als Versicherungsvermittler im Sinne von § 34d GewO und benötigt eine Erlaubnis.
Im Mai widersprach der Bundesgerichtshof (BGH) in einem spezifischen Fall der bisherigen Auffassung von IHK und BaFin, wonach die Vermittlung einer Gruppenversicherung ohne direkte Provision keine erlaubnispflichtige Tätigkeit darstelle. Stattdessen entschied der BGH, dass eine Firma, die für ihre Gruppenversicherung Werbung betreibt und alle Zahlungen über sich abwickelt, als Versicherungsvermittler agiert und damit eine Erlaubnis benötigt.
Fälle aus der Praxis: Wer ist Vermittler?
Anhand von elf exemplarischen Fällen zeigt die BaFin, wann eine Vermittlungserlaubnis erforderlich ist und wann nicht:
- Sportvereins-Unfallversicherung: Der Sportverein schließt eine obligatorische Unfallversicherung für Mitglieder ab. Da keine zusätzlichen Gewinne erzielt werden und keine Freiwilligkeit besteht, gilt der Verein nicht als Versicherungsvermittler, selbst wenn ein Beitrag erhoben wird.
- Rechtsschutz für Vereinsmitglieder: Auch bei einem Beitrag für die Rechtsschutzversicherung wird der Verein nicht als Vermittler gewertet, solange die Beiträge die tatsächlichen Kosten decken und der Beitritt verpflichtend ist.
- Unfallversicherung für Geschäftsreisende: Ein Arbeitgeber übernimmt für reisende Mitarbeitende den Versicherungsschutz. Da keine Freiwilligkeit besteht und der Arbeitgeber keinen Vorteil erzielt, gilt er nicht als Vermittler.
- Berufsunfähigkeitsversicherung durch Arbeitgeber: Hier entscheiden die Mitarbeitenden freiwillig über den Beitritt und übernehmen die Beiträge. Da der Arbeitgeber lediglich Kosten erstattet bekommt, wird er nicht als Vermittler betrachtet.
- Brillenversicherung im Handel: Bietet ein Brillengeschäft Kunden eine Versicherung gegen Glasbruch an und behält einen Teil der Beiträge, handelt es sich um eine erlaubnispflichtige Vermittlung.
- Autohaus und Mobilitätsgarantie: Ein Autohaus, das eine zusätzliche Schutzgarantie mit Vergütung anbietet, benötigt eine Vermittlungserlaubnis, da es einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt und der Beitritt freiwillig erfolgt.
- Mietwagen-Insassenversicherung: Mietwagenanbieter erhalten für den Abschluss einer Insassenunfallversicherung eine Vergütung. Dies gilt als erlaubnispflichtige Vermittlungstätigkeit.
- Pflichtversicherung durch Berufskammern: Bei Pflichtversicherungen für Kammermitglieder entfällt die Erlaubnispflicht, da der Beitritt verpflichtend und kein wirtschaftlicher Vorteil gegeben ist.
- Spediteur-Generalpolice: Ein Spediteur, der eine Police gegen Zusatzbeitrag anbietet, gilt bei Vergütung als Vermittler. Ohne wirtschaftlichen Vorteil entfällt die Erlaubnispflicht.
- Maschinenversicherung im Leasinggeschäft: Erhebt das Leasingunternehmen eine Gebühr über die Versicherungsprämie hinaus, liegt eine erlaubnispflichtige Vermittlung vor, da ein wirtschaftlicher Vorteil besteht.
- Betriebliche Altersvorsorge: Rahmenverträge der betrieblichen Altersvorsorge gelten in der Regel nicht als Vermittlung, sofern kein wirtschaftlicher Vorteil für den Arbeitgeber vorliegt.
Das BGH-Urteil stellt klar: Sobald für eine Gruppenversicherung geworben wird und ein wirtschaftlicher Vorteil erzielt wird, gilt dies als Versicherungsvermittlung und erfordert eine Erlaubnis.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Übergänge fließend sind und es auf den Einzelfall ankommt. Die BaFin betont, dass die jeweiligen Vertragsbedingungen und wirtschaftlichen Interessen der beteiligten Parteien entscheidend sind.
Handlungsempfehlung für Unternehmen
Für Versicherungsnehmer, die als Gruppenspitze auftreten, ist es von entscheidender Bedeutung, die eigene Vermittlungstätigkeit zu überprüfen. Unternehmen sollten alle Gruppenversicherungsverträge sichten und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen. Wenn Unklarheiten bestehen, ob eine Erlaubnispflicht vorliegt, ist eine rechtliche Beratung und die Rücksprache mit der zuständigen IHK unverzichtbar.
Zudem sollten Unternehmen, die externe Partner für die Werbung in Gruppenversicherungen einsetzen, ihre Geschäftsmodelle sorgfältig auf mögliche erlaubnispflichtige Tätigkeiten hin überprüfen, um Wettbewerbsverstöße zu vermeiden.
Fazit
Das EuGH-Urteil zur Gruppenversicherung bringt erhebliche Klarheit, aber auch neue Unsicherheiten für Unternehmen, die Gruppenversicherungen anbieten. Wer externe Mitglieder anwirbt oder wirtschaftliche Vorteile erhält, muss als Versicherungsvermittler agieren und die entsprechende Erlaubnis besitzen. Es ist ratsam, alle bestehenden Versicherungsverträge gründlich zu prüfen, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden und sich rechtzeitig auf die neuen Anforderungen einzustellen.
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